
Losgelöst

Die Initiative „Boycott Qatar2022“ zeigt, dass Kneipen und Fans Alternativen zur WM haben. Gastronomie in Nürnberg wurde kreativ: Freibier statt Public Viewing und eigens gebrautes „Boykott-Bier“.
Nürnberg – „Die meisten Leute haben das Turnier abgelehnt. Aber wenn der November wolkig wird, wirst du aufholen.” Restaurantbesitzer Boris Braun fasst das Grundproblem vieler Fußballfans zusammen. Die Vergabe der WM ist umstritten und die Nachricht von Menschenrechtsverletzungen in der Gastgeberstadt Katar hat sie erschüttert. Wenige Tage vor Beginn der Veranstaltung hörte die öffentliche Meinung nicht auf zu kritisieren. Wie realistisch ist ein großangelegter WM-Boykott?
Braun, der das Café Wanderer in Nürnberg betreibt, gehört zu denen, die sich aktiv gegen die WM stellen. In seinem Unmut und seiner Enttäuschung über die Entscheidung Katars stieß er auf die Initiative „Boycott qatar2022“ und war sofort fasziniert. Für diese Weltmeisterschaft wird ein großes Banner mit ihrem Logo auf seinem Laden geschmückt. Public-Viewing-Tipps suchten seine Gäste vergebens. Gegenüber Merkur.de stammen aus INTERNATIONALES IPPEN Braun erklärt, warum er die Weltmeisterschaft in Katar nicht in seinem Restaurant ausrichten möchte.
WM 2022 in Katar: Eine Reihe von Clubs und Kneipen unterstützen den Boykottaufruf
Boykott, aber wie? Bernd Beyer von der Sendung „BoycottQatar2022“ erklärte auf Nachfrage: „Diese Idee entstand vor etwa zwei Jahren“ Merkur.de. Es sei ein “aktiver Boykott”. Bedeutung: “Wir haben das politische und Fifa-Problem der Menschenrechtssituation in Katar gelöst”. Draußen wurde der Protest hauptsächlich durch Transparente und Aufkleber mit dem Logo oder dem Slogan „Boycott Qatar2022“ dargestellt. Der Aufruf der Organisation enthält folgende Kritikpunkte:
- Fehlende Menschenrechte
- Unwürdige Arbeitsbedingungen
- Es gibt keine Fußballkultur
- Handel statt Fußball
- Korruptionsfall
Sie forderten: Es solle ein klares Signal vom DFB, den Nationalspielern und dem Trainer zur politischen Lage in Katar geben. DFB-Star Leon Goretzka war der erste Nationalspieler, der das Regime kritisierte. Die Initiative fordert Unternehmen zudem auf, keine Marketingkampagnen im Zusammenhang mit der WM durchzuführen. Rund 150 Vereine, Organisationen und Kneipen aus ganz Deutschland sowie zahlreiche Privatpersonen unterstützten den Aufruf. Die meisten von ihnen sind große Fußballfans.
Sie zeigen Widerstand, indem sie in Diskussionen und Reden auf nicht ernst genommene Zustände aufmerksam machen und nicht an Public-Viewing-Veranstaltungen teilnehmen. “Das Motto für den Turniertermin vor Weihnachten 2022 lautet: Weihnachtsmann statt Adidas, Lebkuchen statt Fifa.”
Sollten deutsche Politiker die WM in Katar boykottieren? Die exklusive Umfrage des Bundestages 100 Tage vor Anpfiff zeigt ein gespaltenes Bild.
Auf Katar geworfen
Dieser Text ist Teil unserer Themenwoche zur Fußballweltmeisterschaft in Katar. In den nächsten Tagen werden wir Sie außerdem auf allen IPPEN.MEDIA-Portalen mit politisch-sportlichen Berichten zu Katar versorgen.
“Boycottqatar2022”: Organisation stellt “Ideenbox” für alternative Veranstaltungen zur Verfügung
Zu einem konsequenten WM-Boykott gehört natürlich auch, Spiele nicht privat anzuschauen. Diese Initiative bietet daher eine „Ideenkiste“ als Alternative zum „Augenwischerei im Fernsehen“ an. Dazu gehören Outdoor-Aktivitäten wie ein eigenes Fußballturnier, Flohmärkte oder der sogenannte „Boykottlauf“. Für drinnen schlagen sie vor, Fußballfilme zu zeigen, Lesungen und Quiz zu organisieren oder Konzerte statt Spiele zu veranstalten. Die Kampagne „No Qatar in My Pub“ ermutigt ausdrücklich zur Teilnahme an Bars.
WM-Boykott: Café Wanderer bietet Freibier an, um Fans vom “TV” wegzulocken
“Bei dieser WM kann es nur komisch sein.” Damit spielt Braun nicht nur auf “eindeutige Korruption” bei der Vergabe von Spielstätten und mangelnde Menschenrechte an, sondern auch darauf, dass Stadien durch Klimaanlagen gekühlt werden.
Außerdem überträgt er in seinem Restaurant im Albrecht-Dürer-Haus immer wieder die Spiele der letzten Turniere. Die Spiele nicht zu zeigen, reicht jedoch nicht aus, um zu boykottieren. Um die Fußballfans zu gegebener Zeit wirklich vom Fernseher wegzulocken, hatte sich der Nürnberger etwas einfallen lassen. “Bier ist immer eine Option, deshalb wird es bei deutschen Spielen, wo die Versuchung hierzulande am größten ist, von Anfang an Freibier geben.”
Aber der Protest hörte hier nicht auf. Der politisch besorgte Teil der aktiven Fanszene des 1. FC Nürnberg hat angekündigt, bei einem der Sammelspiele auf dem Platz vor dem Café aufzutreten, um gegen die Fifa zu protestieren.
WM 2022: Kaum Public-Viewing-Pläne in Bayern – auch viele Kneipen boykottieren Spiele
Auch in vielen anderen Kneipen und Restaurants streamen Betreiber nicht live. In Bayern sind die Public-Viewing-Vorlieben zur diesjährigen WM überschaubar. Das liegt zum einen daran, dass Veranstaltungen oft im Freien stattfinden und es dafür einfach zu kalt ist. Andererseits organisieren viele Menschen bewusst keine Veranstaltungen. So erlauben die Städte Nürnberg, Augsburg und Regensburg der Öffentlichkeit nicht, Veranstaltungen auf öffentlichem Grund zu sehen und begründen diese Entscheidung mit der politischen Situation in Katar.
Auch in München können die Fans die Spiele diesmal nicht an allen beliebten Public-Viewing-Orten verfolgen. Das MAC Forum am Flughafen, das Park Café am Bahnhof und der Olympiapark werden in diesem Jahr nicht übertragen. Lediglich Paulaner am Nockherberg meldete eine Veranstaltung bei der Stadt an.
Hinsichtlich der Übertragung von Kneipenspielen ist das Bild in der Landeshauptstadt durchaus gespalten. So entschied sich das Stadion an der Schleißheimer Straße – eine der bekanntesten Fußballkneipen Münchens – für die Übertragung der Spiele. „Der Hauptgrund ist, und wir sind ganz ehrlich, dass wir es uns nicht leisten können, für einen Monat zu schließen“, sagten die Betreiber in einem Interview mit Abendnachrichten. Hinter den Kulissen bleibt auch der Livestream des Spiels. In der diesmal ruhigen Vivo-Bar etwa rechtfertigen die Betreiber ihren Sendeboykott mit dem “totalitären Regime” in Katar.
WM-Boykott: Nürnberger Brauerei entwirft aus Protest ein eigenes Bier
Gastronomen in Nürnberg wollen mehr tun. Da Braun hauptberuflich Brauereigeograph war und er auch für die Nürnberger Bierbehörde einkaufte, kam er auf die Idee, ein Protestbier zu brauen. Er fragte verschiedene kleine Brauereien an. Für die meisten ist die Vorlaufzeit jedoch zu kurz. Doch die Nürnberger Kleinbrauerei „Orcabrau“ war sofort begeistert. Brauer Felix vom Endt erklärt: „Als Boris Braun vom Bierbüro Wanderer in Nürnberg diesen Vorschlag machte, war für uns sofort klar, dass wir das machen und ein Zeichen setzen wollen.“ Merkur.de.

Nürnberger Brauerei schließt sich Boykott an: „Anrufe mit Sperrnummer entgegennehmen“
Seit dem 11. November ist das „Boykott-Katar-Bier” im Online-Shop „Orcabrau” erhältlich. Die Brauer haben mit dem klassischen, „köstlichen und leckeren” Hellbier ein sehr passendes Bier zum Fußball gewählt. “Wir wollten die Botschaft mit unserem Bier rüberbringen.” Bier ist ein Gefühl und eine Marke mehr als nur ein Aufkleber. Streitigkeiten in Katar sind nicht schulterzuckend hinzunehmen. „Wir wollten einfach etwas bewegen und nicht nur Malz, Wasser, Hopfen und Hefe zusammen gießen, abfüllen und verkaufen.“ Aus ganz Europa gab es Anfragen nach diesem Bier.
Bier und Fußball… könnte emotionaler nicht sein, oder?
Bisher ist die Reaktion auf Biereinwände von Kunden und Freunden überwiegend positiv. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, wie vom Endt verrät. „Wir haben Anrufe von gesperrten Nummern erhalten, die unser ‚Boykott-Katar-Bier‘ als ‚schlampig‘ bezeichneten.“ Es gibt auch ein paar negative Bewertungen. „Darüber liegen wir aber deutlich drüber“, gab der Brauer gelassen zu. Es gibt immer Leute, die „nörgeln“, wenn es emotional wird. „Und ich meine, Bier und Fußball … es gibt nichts Emotionaleres als das, oder?“
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Brauer will “Boykott-Bier” zu Fifa-Sponsor Adidas bringen: “Ring the bell”
Die Brauer erhoffen sich mehr als ein Zeichen: „Wenn sich die Mehrheit offen zur WM äußert, werden die großen Sponsoren wohl überlegen, ob sie bereit sind, viele Millionen Dollar in die Fifa zu investieren oder nicht.“ 20 km von der Brauerei entfernt. “Wir bringen auf jeden Fall ein Fass Bier rüber und klingeln.”
Boris Braun, der auch Einkäufer beim Nürnberger Bierbüro ist, plant, die Bierspezialität bei Spielen in Deutschland in seinem Café auszuschenken. 2000 Liter wurden gebraut. „Allerdings glaube ich, dass viele Gastronomen jetzt aufwachen und dann dieses Bier wollen und es wird noch lange nicht reichen.“ (Tipp)